Donnerstag, 14.11.2013, 13:52 · von FOCUS-Redakteur Matthias Matting
Leichter, schärfer, komfortabler – Amazons neues Tablet Kindle Fire HDX hat alle Voraussetzungen, selbst das iPad zu übertrumpfen. Wie schlägt sich der Neuling im Test? Hervorragend!
Seit gut einem Jahr hat Apple einen Überraschungsgegner: Der Alles-Händler Amazon hat sich entschlossen, den Tablet-Markt zu erobern. Wenn jemand Apple etwas entgegensetzen kann, dann die Firma von Jeff Bezos, denn sie hat eine besondere Geschäfts-Philosophie auf ihrer Seite: Geräte dienen Amazon nur dazu, Inhalte zu verkaufen – anders als bei Apple, wo App- und Music-Store weitaus weniger zum Umsatz beitragen als iPhones, iPads und Computer.
Der Kindle Fire HDX8.9, den Amazon in der kommenden Woche auf den Markt bringt, ist deshalb auch schon ab 379 Euro zu haben – und damit 100 Euro günstiger als das billigste iPad Air Wer mit dem Einstiegs-Modell nicht zufrieden ist, muss 50 beziehungsweise 100 Euro drauflegen und erhält dafür 32 beziehungsweise 64 Gigabyte. Bei Apple kostet dieselbe Speichererweiterung gleich 90 beziehungsweise 180 Euro. Trotzdem ist das Fire HDX 8.9 kein Sparmodell, im Gegenteil: Sein Bildschirm ist bei etwas kleinerer Diagonale deutlich schärfer (2560 x 1600 Punkte vs. 2048 x 1536). Auch der Test im Büro und draußen zeigt, dass das Display des Fire HDX den des iPad Airübertrumpft: Er ist etwas heller und kontrastreicher, was sich gerade im Freien auszahlt.
Überraschend leicht
Dabei ist das Amazon-Tablet auch noch 100 Gramm (fast ein Viertel) leichter als das iPad Air– das merkt man im Alltag sofort. Ähnlich eng wie bei Apple ist allerdings die Bindung an das Amazon-System. Der Shop des Herstellers ist in jeden Anwendungsbereich (Bücher, Musik, Film, Apps) direkt eingebaut. Das ist bei Apple akzeptiert – bei einem Tablet jedoch, das auf Android basiert, wünscht man sich eigentlich auch Zugriff auf Googles Play-Store, zumal dieser noch deutlich besser bestückt ist als Amazons eigener Appstore. Mit ein paar Tricks ist das machbar – ebenso wie die nachträgliche Installation von Flash auf dem Fire HDX, dieser zwar ungeliebten, aber doch oft noch nötigen Erweiterung. Amazon selbst darf der Käufer zwar nicht nach solchen Tricks fragen, aber man legt dem auch keine technischen Hürden in den Weg: Auf dem Fire HDX laufen ganz normale Android-Apps, wie auf jedem anderen Tablet mit diesem System.
Bei der Bedienung des Tablets geht das Fire-OS einen gewissen Sonderweg, der jedoch nicht zum Schaden des Kunden ist. Herzstück ist das „Karussel“, auf dem alle Inhalte und Apps erscheinen, die man zuletzt benutzt hat. Der Fire HDX macht keinen Unterschied zwischen einzelnen Arten von Inhalt – etwa E-Books, Musik oder Filmen. Beim iPad hingegen muss man immer erst die passende App suchen. Um auch traditionellen Nutzern gerecht zu werden, kann man das Karussell nun auch aus dem Weg schieben und stattdessen einen Bereich nutzen, der wie ein typischer Android-Homescreen aussieht.
Alles flutscht
Wenn man eine Weile mit dem Fire HDX gespielt hat, merkt man erst, wie flüssig alles abläuft. Kein Ruckeln, keine Verzögerung – das ist das Verdienst des schnellen Prozessors. Trotzdem ist die Akkulaufzeit sehr gut. In der Praxis sind die von Amazon versprochenen zwölf Stunden zwar eher schwer zu erreichen, zehn Stunden jedoch sind trotz maximaler Bildschirm-Helligkeit realistisch. Die Soundqualität ist ebenfalls hervorragend, selbst wenn das Tablet flach auf dem Tisch liegt – dank der abgeschrägten Ränder, in die die Lautsprecher eingearbeitet sind. Anders als das 7-Zoll-Modell besitzt das Fire HDX 8.9 eine echte Kamera auf der Rückseite, die auch ganz vernünftige Fotos schießt – jedenfalls im Vergleich zu anderen Tablets. Demnächst wird es das Modell auch mit UMTS/LTE geben (LTE nur für Vodafone), ich habe jedoch die WLAN-Variante getestet.
Was derzeit leider noch fehlt, ist KindleFreetime: Damit werden Eltern ihrem Nachwuchs einen geschützten Zugang einrichten können, über den sie Zeit und Rechte fein dosieren können. Doch auch die aktuellen Kinderschutz-Funktionen sind schon im Vergleich zur Konkurrenz beispielhaft. Schade nur, dass Amazon auf die HDMI-Buchse verzichtet. Stattdessen muss man Fernseher drahtlos über den Miracast-Standard koppeln. Da dies derzeit kaum ein aktuelles Modell unterstützt, brauchen Sie einen entsprechenden Empfänger (ab 40 Euro). Weniger überzeugt haben mich auch die Origami-Cover, die Amazon für etwa 50 Euro verkauft: Sie lassen sich zwar cool falten und als Standhilfe verwenden, wiegen aber fast so viel wie das Tablet selbst.
- Fazit: Gelungene iPad-Alternative
- Das Kindle Fire HDX übertrifft Apples iPad Air in den meisten Disziplinen. Es ist kein 5:0-Kantersieg, eher ein 5:4, aber dass es überhaupt einem Hersteller gelingt, ein besseres Tablet abzuliefern, ist schon ein kleines Wunder.